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Doodpaal

Der Doodpaal erinnert an einen undankbaren Kapitän und sein einsames Grab in den Dünen.

Almuth Heinze-Joost

Am Dünenrand östlich des Ostdorfes steht der Gedenkstein für den holländischen Kapitän Hendrik Dirks de Boer, genannt Jan de Boer, der 1849 hier begraben wurde. Dieser Stein ersetzt den ursprünglichen Doodpaal (Totenpfahl) aus Holz, der sich jetzt im Baltrumer Heimatmuseum befindet. Da in diesem Dünenbereich mehrere Gebeine gefunden wurden, nimmt Zylmann an, dass hier der „Drinkeldooden-Karkhoff“ für angeschwemmte, unbekannte Tote und für Seuchenopfer lag.

Zum Todesfall de Boer findet sich folgende Eintragung im Baltrumer Kirchenbuch: „12.7.1849 starb auf hiesiger Rhde (Reede) an Bord der JANTINA der Schiffer Hendrik Dirks de Boer aus Veendam in Groningen auf einer Reise von Amsterdam nach Hamburg. Die Leiche wurde am folgenden Tag auf dem Ostende in den Dünen begraben."

In leicht abgewandelten Versionen wird auf Baltrum die Sage vom Doodpaal erzählt:

Im flachen Watt vor Baltrum lag der reiche Kapitän Jan de Boer mit seiner Tjalk seit Tagen fest. Um neuen Proviant zu holen, ging er an Land und verlangte von den Insulanern Genever und Weißbrot. Aber statt Schnaps erhielt der Holländer nur Ziegenmilch, und es gab nur Schwarzbrot auf dem ärmlichen Baltrum. „Gottsverdorri, hier möchte ich nicht einmal begraben sein“, fluchte der Kapitän und nannte Baltrum einen „verdammten Sandhaufen“. Doch das Schicksal wollte es anders: Jan de Boer erkrankte und verstarb. Seine Matrosen baten, ihn auf der Insel zu bestatten. Die sechs Inselfrauen aber, die den Toten auf einer Wüppe durch das Watt zu den Dünen zogen, hatten sein Fluchen und die abfälligen Äußerungen über Baltrum nicht vergessen. War sein plötzliches Ende nicht eine Strafe Gottes? Für die Frauen war sein Tod ein göttlicher Fingerzeig. So ein Fluchender sollte nicht in geweihter Erde begraben werden. Aus diesem Grunde erhielt der Tote kein Grab auf dem Baltrumer Friedhof, sondern weitab in den Ostdünen; ein Doodpaal wurde darüber errichtet.

De Boer war möglicherweise ein Opfer der Choleraepidemie, an der in den Niederlanden 1848 über 20.000 Menschen starben. Cholera, durch unsauberes Trinkwasser verursacht, brach in vielen Städten Europas jeden Sommer aus. Statt Wasser zu trinken, wurden deshalb alkoholische Getränke empfohlen; noch Mitte des 19. Jahrhunderts galten sie als Heilmittel gegen Cholera.

(Nach Zylmann, Gansohr-Meinel, Canzler, Siefkes)

Literatur:
Byl, Jürgen/Brückmann, Elke, Ostfriesisches Wörterbuch, Plattdeutsch/Hochdeutsch, Leer 1992, S. 35, 94.
Canzler, Gerhard, Baltrum. Die Geschichte der Nordseeinsel, Aurich 1986, S. 119.
Gansohr-Meinel, Heidi, Baltrum. Eine kleine Insel und ihre Bewohner. Ein Rundgang, Baltrum 2001, S. 186-191.
Siefkes, Wihemine, Ostfriesische Sagen und sagenhafte Geschichten, Aurich 1968.
Zylmann, Peter, Baltrum, Norden 1936, S. 42, 43. http://www.inselglocke.de/2005_W.pdf